Wenn du eine Operation deines Hüftimpingements in Erwägung ziehst, wirst du eventuell schon auf Quellen gestoßen sein, in denen sehr gute Erfolgschancen der Hüftarthroskopie angepriesen werden. Es wird argumentiert, dass nur eine Operation helfen kann, den Engpass im Gelenk dauerhaft zu entfernen. Falls du wirklich über eine OP nachdenkst, könnte es sich lohnen, einen näheren Blick auf Erfolgsaussichten eines solchen Eingriffes zu werfen. Es wurden wissenschaftliche Studien erhoben, in welchen die Ergebnisse einer Hüftarthroskopie genauer erforscht wurden.
In diesem Beitrag werden Studien transparent und verständlich offen gelegt, um dir die Diskrepanz zwischen einer objektiv "erfolgreichen Operation" im Sinne der Schulmedizin und der subjektiv wahrgenommenen Zufriedenheit der Patienten zu erläutern.
Die Hüftarthroskopie
Der Eingriff
Bei der Hüftarthroskopie oder auch Gelenkspiegelung handelt es sich um ein minimal-invasives Verfahren bei dem Erkrankungen der Hüfte sowohl diagnostiziert, als auch behandelt werden können. Minimal-invasiv bedeutet, dass die Einschnittstelle so gering wie möglich gehalten wird und dadurch eine Verletzung des Körpergewebes minimiert wird.
Vor der eigentlichen Operation wird an dem zu behandelnden Bein gezogen, um den Spalt im Gelenk zu vergrößern. Anschließend führt der Operateur spezielle Instrumente durch drei kleine Hautschnitte in das Gelenk ein. Dazu zählen unter anderem eine Lichtquelle, eine Kamera, mechanische Schneidinstrumente und eine Knochenfräse. Bei einer Schädigung des Labrums wird dieses geglättet und anschließend erneut fixiert. Die Cam- bzw. Pincerdeformität wird mithilfe der Knochenfräse abgetragen. Zur Überwachung des Eingriffs dient ein mobiles Röntgengerät.
Ist eine Hüftarthroskopie harmlos?
Der Begriff minimal-invasiv klingt erstmal nicht so schlimm. Und tatsächlich entstehen kleinere Wunden und die Betroffenen erholen sich schneller von der Operation. Jedoch birgt auch dieses Verfahren Risiken. Der Begriff täuscht und lässt Patienten leichter von einer Operation überzeugen. Häufig wird nicht zum Wohl des Betroffenen entschieden. Der Eingriff ist sogar eine größere Herausforderung für den Operateur als eine offene Operation. Die Sicht ist eingeschränkt und nur zweidimensional.
Wirksamkeit der Hüftarthroskopie bei einem Hüftimpingement
Es gibt einige Publikationen, die die Wirksamkeit einer Hüftarthroskopie bei einem femoroacetabulären Impingement bestätigen.
In einer Studie nach J.W.Byrd et al. aus dem Jahre 2009 [1] zeigt eine Verbesserung durch eine Operation bei 83 % der Patienten mit einem femoroacetabulären Impingement. Dabei wird angegeben, dass die durchschnittliche Verbesserung bei 20 Punkten der Harris Hip Skala beträgt. Dabei handelt es sich um einen Fragebogen, mit dem der Erfolg einer Hüftoperation erfasst werden kann. Die Range reicht von -17 (Es wurde schlechter nach der Operation) und +60 (Es wurde viel besser).
Die Ergebnisse der Studie scheinen vielversprechend. Aber wenn wir uns die Sachlage etwas genauer anschauen wird deutlich, dass es in der Realität ganz anders aussieht.
Der Harris Hip Score Fragebogen
Der Fragebogen wird dem Patienten vor und nach der Operation ausgehändigt. Es werden Punkte zu Schmerzen, Bewegungseinschränkungen, Alltagstauglichkeit und allgemeiner Gehfähigkeit abgefragt. Am Ende wird das Ergebnis in einer entsprechenden Punktzahl ausgedrückt. Diese muss mindestens 20 Punkte mehr als vor der OP ergeben, damit die Operation als erfolgreich gewertet werden kann.
Jedoch ist es ziemlich einfach, diese 20 Punkte nach erfolgter OP zu bekommen.
Doch um das zu verstehen, füllen wir den Fragebogen einmal probeweise aus. Du kannst den Harris Hip Score Fragebogen unter folgendem Link finden:
Harris Hip Score Fragebogen
Beim 1. Punkt werden die allgemeinen Hüftschmerzen abgefragt. Wir wählen probeweise den vorletzten Punkt:
Marked pain, serious limitation of activities (Deutsch: Deutliche Schmerzen, starke Einschränkung von Aktivitäten) |
Wenn du nach unten scrollst kannst du bereits jetzt sehen: Deine Punktzahl beträgt JETZT SCHON 10 Punkte!
Aber lass uns weiter machen!
Wir wählen jetzt anstatt "marked pain, serious limitation of acitivities" folgende Antwort:
Moderate pain, tolerable but makes concessions to pain. Some limitations of ordinary activity or work. May require occasional pain medication stronger than aspirin (Deutsch: Schmerz erträglich, jedoch Behinderung bei gewöhnlicher Aktivität, gelegentlich stärkere Schmerzmittel als Aspirin erforderlich) |
Wir scrollen runter und sehen: 20 Punkte. Würdest du eine OP als erfolgreich ansehen, wenn du noch immer im Alltag eingeschränkt bist und gelegentlich starke Schmerzmittel brauchst?
Wählen wir die oberste Antwort
None, or ignores it (Deutsch: Keine Schmerzen, oder Schmerzen werden ignoriert) |
Du könnetst also noch immer Schmerzen haben, diese jedoch ignorieren und deinen täglichen Aktivitäten nachgehen und erhältst dafür satte 44 Punkte!
Du erlangst also trotz Schmerzen eine Top Punktzahl in dieser Skala.
Schauen wir uns schließlich ein Szenario vor und nach der OP an.
Nehmen wir an du hast vor der OP deutliche Schmerzen und ein starkes hinken. Wir beantworten also die erste Frage mit
Marked pain, serious limitation of activities (Deutsch: Deutliche Schmerzen, starke Einschränkung von Aktivitäten) |
Zusätzlich markieren wir die Antwort bei "limp" (deutsch: Hinken)
Severe or unable to walk (Deutsch: schwerwiegendes Hinken oder komplett unfähig zu Gehen) |
Wir erhalten vor der OP einen Score von 10.
Nach der OP hast du noch immer leichte Schmerzen und leichtes hinken. Die Antworten im Fragebogen wären:
Mild pain, no effect on average activities, rarely moderate pain with unusual activity, may take aspirin (Deutsch: milde Schmerzen, keine Auswirkung auf die durchschnittliche Aktivität, selten mäßige Schmerzen nach ungewohnten Tätigkeiten, gelegentlich z.B. Aspirin.) |
und bei der Frage Limp:
Slight (Deutsch: leicht) |
Nach der Operation erhältst du also einen Score von 38
Die Differenz der Punkte vor und nach der Operation beträgt also 28 (38-10)
Die OP zählt also als erfolgreich, obwohl du noch immer Schmerzen hast, leicht hinkst und ab und zu Aspirin nehmen musst.
Die Erwartung der Patienten an eine Hüftimpingement OP versus die tatsächlichen Ergebnisse
Wie aus obigen Beispiel ersichtlich ist der Harris Hip Score Fragebogen also nicht das passende Werkzeug, um den Erfolg einer Operation zu erfassen.
Eine weitere Studie aus dem Jahr 2012 nach Mannion et al.[2] legt die Erfahrung von 86 Patienten mit einer Operation zur Korrektur eines Hüftimpingements offen. Es wurde die Motivation der Patienten, sich einer OP zu unterziehen und die Erwartung an diese befragt. Die Hauptmotivation sich operieren zu lassen, war eine Schmerzlinderung. Am zweit wichtigsten war den Patienten, eine Verschlechterung der Situation vorzubeugen. Letztlich war ihnen auch eine Verbesserung der Bewegungsmöglichkeiten von Belangen.
Für die Erwartungen an eine Hüftimpingement OP ergaben sich folgende Ergebnisse:
- 57 % der Patienten erwarteten von der OP, dass die Hüftschmerzen viel besser werden.
- 40% gingen von einer moderaten Besserung nach der OP aus
- 46 % erwarteten, dass sie nach der OP viel besser Sport treiben können
- 37% gaben an, wieder besser Sport machen zu können
Diese Erwartungen sind nicht zu hoch gesteckt. Die Patienten wollen lediglich ein Leben ohne Hüftschmerzen und Bewegungseinschränkungen zurück und wieder uneingeschränkt Sport treiben.
12 Monate nach der OP wurden die Patienten erneut befragt, ob die Operation ihre Erwartungen erfüllt hat. Die Befragung kam zu einem ernüchternden Ergebnis:
- Bei 56 % der Patienten wurde die Erwartung an eine OP NICHT erfüllt
- 61 % waren enttäuscht von den Verbesserungen bei sportlichen Aktivitäten
- 53 % waren enttäuscht von der Verbesserung der Hüftfunktionalität
- 33-45% waren enttäuscht in Bezug auf mentales Wohlbefinden und Gehfähigkeit.
Es wird also ersichtlich, dass bei ÜBER DER HÄLFTE der Patienten die Erwartungen an eine Operation nicht erfüllt wurden.
Wie bewerteten die Patienten die Effektivität einer Operation?
- 29 % gaben an, die Operation habe ihnen viel geholfen.
- 39 % antworteten, die OP habe ihnen etwas geholfen. Aber tatsächlich hat es nicht alle Probleme des FAI's gelöst.
- 21 % sagten, es habe nur ein bisschen geholfen.
- 9% klagten, dass die OP gar nicht geholfen hat
- 2 % berichteten, dass die OP alles noch verschlimmert hat
Vergleicht man die 29 % der Patienten die wirklich zufrieden waren mit einer OP mit den restlichen 71 % die nicht zufrieden waren, wird schnell klar, dass eine Hüftimpingement OP nur in wenigen Fällen wirklich zielführend für die Patienten ist.
Fazit
Zusammenfassend kann also davon ausgegangen werden, dass eine Hüftarthroskopie laut aktueller Studienlage bei der Erfüllung der durchaus legitimen, simplen Erwartungen der Patienten versagt. Den Patienten bleibt die Entscheidung selbst überlassen, ob sie sich einen derartigen Eingriff unterziehen lassen. Jedoch ist kritisches Hinterfragen geboten. Eine Operation kann immer noch durchgeführt werden, wenn alle anderen Methoden versagt haben.
Literatur:
[1] BYRD J.W.; JONES K.S.;2009: Arthroscopic Femoroplasty in the Management of Cam-type Femoroacetabular Impingement, Clinical Orthopaedics and related Research, 467(3): 739–746
[2] MANNION A.F.; IMPELLIZZERRII F.M.; NAAL F.D.; LEUNIG M.; 2012: Fulfilment of patient-rated expectations predicts the outcome of surgery for femoroacetabular impingement; Osteoarthritis and Cartilage; Volume 21, Issue 1, Pages 44–50